Japanisches Bogenschießen trainiert Körper und Geist

Meerbusch · Eine ganz besondere Form des Bogenschießens pflegt der Verein Okawa Kyudo, der sich 2022 in Meerbusch gegründet hat: Denn beim Kyudo, der traditionellen, seit dem 15. Jahrhundert ausgeübten Kunst des japanischen Bogenschießens, geht es nicht nur darum, das Ziel zu treffen.

Von Laura Vorberg (Rheinische Post)

Bei der fernöstlichen Sportart steht vielmehr die körperliche und geistige Entwicklung im Vordergrund. „Kyudo heißt übersetzt ‚Der Weg des Bogens‘ und geht auf die Samurai zurück; ist also ursprünglich eine Kampfkunst gewesen“, erklärt Robert Knauf vom Vorstand des Vereins. „Als im 16. Jahrhundert Feuerwaffen in Japan aufkamen, war der Bogen im Krieg natürlich nicht mehr effektiv; er wurde aber weiterhin in Zeremonien am Hofe eingesetzt.“

Den zeremoniellen Charakter hat Kyudo bis heute bewahrt. Der Bewegungsablauf ist langsam, der Schuss aufs Ziel in acht Bewegungsphasen eingeteilt, die unter anderem festlegen, wie der Bogen gehalten, aufgespannt und abgeschossen wird. Dabei müssen Körperhaltung und -spannung präzise koordiniert werden, was ein hohes Maß an Disziplin, Aufmerksamkeit, Konzentration und innerer Ruhe verlangt. Geschossen wird mit einem asymmetrischen Bambusbogen, der ungefähr 2,20 Meter lang ist. Die Schützen tragen traditionelle Bekleidung, die aus einem Trainingshemd (Gi), einem schwarzen Hosenrock (Hakama), weißen Zehensocken (Tapi) und einem Wickelgürtel (Obi) besteht.

Um zunächst die richtige Technik einzuüben, nehmen Anfänger zunächst einen zwei Meter entfernten Strohballen ins Visier. Später wird dann auf ein Ziel in 28 Metern Entfernung geschossen, das einen Durchmesser von 36 Zentimetern hat. „Zuvor muss man aber mindestens zwei Kyu-Prüfungen absolviert haben“, erklärt Knauf. Denn ähnlich wie in vielen Kampfsportarten wie beispielsweise Judo und Karate, werden auch im Kyudo Prüfungen in verschiedenen Kyu-Graden (Schülergraden) und Dan-Graden (Meistergraden) absolviert. „Es gibt aber keine Vorgaben, in welchem Zeitraum man eine Prüfung machen muss“, sagt Knauf. „Jeder hat seinen eigenen Bogenweg, das heißt, jeder geht in seiner eigenen Geschwindigkeit in die nächste Prüfung oder den nächsten Schritt.“

Knauf selbst betreibt mittlerweile seit fast neun Jahren Kyudo. Zunächst in einem Verein in Düsseldorf, bis er dann Anfang 2022 mit Okawa Kyudo selbst einen Kyudo-Verein in Meerbusch ins Leben gerufen hat. „Ich wollte gern das weitergeben, was ich gelernt habe“, erklärt er seine Motivation. Neben dem sportlichen Aspekt des japanischen Bogenschießens reizt ihn auch die Team-Komponente: „Es gibt beim Kyudo eine zeremonielle Form, wo man in der Gruppe nacheinander schießt“, erläutert er. „Dabei ist alles festgelegt: Wie man den Schießbereich betritt, wie man sich aufzustellen hat, wie man nacheinander abschießt und wie man den Schießbereich verlässt.“ Das erfordere Teamgeist, ein gutes Timing und besondere Konzentration. „Ich muss die Technik beherrschen und mit meinen Gedanken ganz beim Kyudo sein, nicht bei anderen Dingen des Alltags.“

Sechs Mitglieder im Alter von 18 bis 50 Jahren hat der Meerbuscher Kyudo-Verein aktuell. „Wir sind noch sehr klein und freuen uns über jeden, der kommt; ob zum Zugucken oder Mitmachen“, sagt Knauf. Trainiert wird einmal wöchentlich, freitags von 19 bis 22 Uhr, in der Turnhalle der Brüder-Grimm-Schule an der Büdericher Allee. „Anfänger können einfach in Sportkleidung zu uns kommen und bekommen Pfeil und Bogen vom Verein gestellt“, sagt Knauf. Geeignet ist Kyudo für fast jeden. Es kann als Jugendlicher begonnen und bis ins hohe Alter ausgeübt werden. „Der Umgang mit dem Bogen erfordert eine gewisse Reife“, erklärt Knauf. „Und weil der Bogen 2,20 Meter lang ist, braucht man auch eine gewisse Größe, ansonsten gibt es keine Vorgaben. Geschossen wird bei Okawa Kyudo im Stil der sogenannten Heki-Schule: „Das heißt, wir heben den Bogen linksseitig und nicht zentral“, erklärt Knauf. Er hofft, mit seinem Verein dazu beitragen zu können, dass der Sport, den es seit über 54 Jahren in Deutschland gibt, noch bekannter wird. „Der erste Kyudo-Verein ist in Hamburg entstanden, mittlerweile gibt es in ganz Deutschland Vereine, die etwa 1300 Mitglieder haben. Für Kyudo ist das vergleichsweise viel; in Frankreich gibt es nur 700 Mitglieder. Aber verglichen mit anderen Sportarten, sind wir immer noch sehr klein.“

Quelle: https://rp-online.de/nrw/staedte/meerbusch/meerbusch-verein-okawa-kyudo-trainert-japanisches-bogenschiessen_aid-100614209

Taihai-Formen der Heki Ryu Insai Ha

Ende September fand ein Seminar zur Vertiefung der Hekiryu-Taihai-Formen, also der Formen des Zeremonie-Schießens der Hekiryu statt. Wir, der Verein Okawa Kyudo, war Ausrichter dieser Veranstaltung. 13 begeisterte Kyudoka haben sich dafür aus ganz Deutschland zusammengefunden, um von Thomas und Dagmar Baer zu lernen.

Das Seminar wurde wie üblich durch ein Yawatashi eröffnet. Damit wurde also direkt die erste und wahrscheinlich eine der bekanntesten Anwendungen für Taihai vorgestellt. Während der darauffolgenden zwei Tage haben wir Teilnehmer die Möglichkeit gehabt, nicht nur viel über die Theorie und Geschichte des Hekiryū-Taihai zu lernen, sondern diese Theorie auch in der Praxis zu üben und neue Erfahrungen zu sammeln.

Wir haben zum Beispiel Hadanugi/Hadaire, das Aus- und Anziehen des Kimono-Ärmels der Herren, das Gehen und Stehen im Raum vertieft und die verschiedenen Tiefe-Grade einer Verbeugung geübt. Außerdem hatten wir auch die Möglichkeit in eine Zeremonie-Form reinzuschnuppern, die man hier in Deutschland eher selten zu Gesicht bekommt, geschweige denn selbst schießt: Das „Shichi-Go-San“ (7-5-3). Das ist eine Zeremonie, die zu Dojo- Eröffnungen geschossen wird. Diese besondere Zeremonie enthält ihre ganz besonderen Laufmuster, so geht der Ochi im ersten der drei Durchgänge als Ōmae rein und wechselt nach dem ersten geschossenen Pfeil seine Position im Tachi. Eine weitere Herausforderung war es, einmal das Schießen mit drei Pfeilen zu probieren. Obwohl das nur eine kleine Änderung war, fühlte es sich bei den ersten Versuchen doch sehr ungewohnt an.

All das zu lernen war umso beeindruckender, weil es mit dem historischen Verständnis für die zeremoniellen Bewegungen verbunden wurde. Wie kam die Heki-Schule zum Taihai? Warum setzen wir im Heki-Kiza das linke Knie auf den Boden, obwohl es nach den alten Höflichkeitsregeln das Knie auf der Seite der Kamiza sein sollte? Und warum tragen Hekiryū-Schützen üblicherweise keine Tabi? All das sind Fragen, die, wie auch das Hekiryū- Taihai selbst, oft im Trainingsalltag zu kurz kommen. Gerade deswegen war es so schön, im Rahmen dieses Seminars mehr darüber zu lernen und Raum für neue Erfahrungen und die damit einhergehenden Fragen zu finden.

Wir möchte uns hiermit, bei unseren Mitglieder für die Unterstützung bei Auf-/Abbau, während des Seminars und für die Bereitstellung der Verpflegung bedanken. Außerdem gilt unser Dank Dagmar und Thomas Baer für den tollen Lehrgang und die vielen Informationen, die wir während der zwei Tage erhalten haben. Der letzte Dank gilt dem Sportamt Neuss, die uns die Sporthalle zur Verfügung gestellt haben. In diesem Sinne freuen wir uns auf das nächste Seminar, sei es als Teilnehmer oder Ausrichter.